Kleeblatt

Moin Moin

Neulich in Schriesheim

3. Oktober 6. Oktober 2002

Am Nationalfeiertag der Deutschen ging es Richtung Schriesheim. Das liegt we(i)nige Kilometer nördlich von Heidelberg. Ich möchte der geneigten Leserschaft nicht vorenthalten, was wir dort in einem Restaurant erlebten. Hier ein Auszug aus unserem Reisetagebuch.

Am  Samstagabend machten wir uns auf zum Restaurant Zur Goldenen Rose".  Wir hatten am Freitag einen Tisch reserviert.  Karin wollte unbedingt in diesem Restaurant essen, da die Speisekarte viel versprechend aussah. Ein unbestimmtes Gefühl ließ in mir hingegen Zurückhaltung aufkommen.  Aber lesen Sie selbst:

Keiner erinnerte sich daran, dass wir reserviert hatten. Die Bedienung ganz sicherlich ihr erster, vielleicht auch ihr letzter Arbeitstag bugsierte uns an einen runden Tisch. Auf der Speisekarte fehlten leider die Speisen, die Karin hierher lockten. Nach einigen Nachfragen bekamen wir dann doch auch noch die Zusatzkarte. Leider ist dieser Tisch reserviert," kam es aus dem Mund des Kochs, der sich plötzlich im Restaurant zeigte. Also Umzug. Wir bestellten zunächst Martini den sollten wir nie bekommen. Stattdessen servierte der Wirt uns rasend schnell die Weine. Wir ließen sie zunächst zurückgehen in der Hoffnung auf den Martini. Der kam nicht, es gab nämlich keinen mehr, er musste erst noch gekauft werden. Der Koch hatte die bedauernswerte Bedienung noch in den Ort geschickt, um den Martini zu kaufen - höchstwahrscheinlich bei einer Tanke.  Darauf konnten wir aber nicht warten, also fiel der Aperitif aus. Der Koch wollte sich keine Blöße geben, so begründete er seine Anweisung.

Leider war das Lokal jetzt ohne Bedienung, der Koch versuchte sich jetzt in einer Doppelrolle.

Also ließen wir uns doch den Wein bringen. Mein Rotwein war gekippt purer Essig, der mir die Tränen in die Augen trieb. In Osnabrück ist mir das vor vielen Jahren im Schmied im Hone passiert. Dort wurde alle Jubeljahre aus der Weinflasche ein Glas genommen, aber in einer Weingegend ist uns das noch nicht passiert.

Das Essen war gut. Nach der Vorspeise gab es wieder eine erhebliche Verzögerung. Die Bedienung konnte es offensichtlich nicht glauben, dass es Menschen gibt, die noch einen zweiten oder gar dritten Gang zu sich nehmen. Sie dachte, wir wären schon fertig. Aber dann kam mein Lamm doch noch. Es landete zwar zunächst am Nachbartisch. Der Koch hechtete jedoch dazwischen und rettete mein Essen vor einem hungrigen Gast.

Nachdem wir bis dahin alles überstanden hatten, sollten Espresso und Schnäpschen den Abschluss bilden. Den Schnaps bekamen wir jetzt sogar auf Kosten des Hauses wohlverdient. Es gab allerdings  zunächst nur einen Espresso - ohne Andeutung von Crema. Da ich das Schnäpschen mit Espresso trinken wollte, stand er nun wartend herum. Die Bedienung kam hinzu und wollte mir das volle Glas abräumen. Das konnte Karin gerade noch verhindern.

Als es ans Bezahlen ging, fragte der Wirt, ob wir von einer Organisation seien. Ihm blieben unsere Tagebuch-Schreibereien nicht verborgen. Einen Kommentar schenken wir uns. Ein Gault Millau -, Michelin- oder Sonstwas-Tester hätte sich schon lange ins Irrenhaus geflüchtet oder in jeder Ecke nach der versteckten Kamera gesucht.

Es kam also die Rechnung. Natürlich war die erste nicht korrekt. Die zweite belief sich auf 79,10 Euro.  Ich gab dem Koch 80, ohne Hinweis auf irgendein Trinkgeld wofür auch. In aller Seelenruhe strich er das Geld ein und machte keinerlei Anstalten, das Wechselgeld herauszurücken. Erst auf Aufforderung gab er die fehlenden Cent zurück.

"Das war alles ein großes Abenteuer," stöhnte Karin.

Nachtrag: Eines Tages erschienen in meinem damaligen Gästebuch - leider ist der Betreiber offensichtlich gehackt worden - einige Beiträge aus Schriesheim. Einer rühmte die schönen Motorradstrecken, ein anderer vom Fremdenverkehrsverein versprach uns eine Flasche Wein, wenn wir wieder in den Ort kämen. Wir werden versuchen, beides zu überprüfen.

Osnabrück, Mittwoch, 07. August 2013